Bio – logisch? Nürnbergs ökologische Zukunft

Bio boomt – sowohl im Freistaat Bayern als auch in der Stadt Nürnberg. Der Markt soll auch künftig ein enormes Wachstum erfahren. Gegenüber dem konventionellen Anbau hat Bio einige Vorteile und dürfte im Kampf gegen die Klimaveränderung eine wichtige Rolle spielen. Das gilt aber nur eingeschränkt.

Bayerns Regierung setzt sich hohe Ziele. Mit dem Landesprogramm BioRegio 2030 soll der Bioanteil im Freistaat innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 30 Prozezent erhöht werden. Trotz deutlicher Verfehlung einer 20-Prozent-Marke im Vorjahr soll der Anbau nun noch rasanter wachsen und Angebot und Nachfrage entsprechend gefördert werden. Auch in der ernannten Bio-Stadt Nürnberg kommt dem Ökolandbau seit Jahren eine besondere Bedeutung zu und nimmt in der Stadtplanung einen hohen Stellenwert ein.

Vorteilhafte Bio-Produkte

Bereits 2003 rief die Stadt die Biometropole ins Leben, die sich mit weiteren Organisationen wie der Öko-Modellregion die Verbraucher- und Erzeugerbildung, Vernetzung und Unterstützung zur Aufgabe gemacht hat. Bio soll stärker ins Bewusstsein aller rücken, schließlich seien Öko-Produkte der Stadt nach in allen Belangen vorteilhafter und der Markt eine Wachstumsbranche. Die Zahlen des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sprechen derzeit noch eine andere Sprache. Zwar boomt der jährliche Umsatz an Bio-Lebensmitteln, der Markt selbst stagniert jedoch seit einiger Zeit. Trotz hoher Nachfrage setzen Erzeuger nach wie vor auf den konventionellen Anbau. Umstellungen gestalten sich eher verhalten. Dabei können biologisch erzeugte Produkte gegenüber der konventionellen Landwirtschaft in vielerlei Hinsicht punkten.

„Mehr Wertschöpfungskettenmanagement“: Die Biometropole setzt unter Werner Ebert (im Bild) vor allem auf mehr Information. Foto: Wolfgang Ritter

Durch den Verzicht giftiger Pestizide und Herbizide werden im Ökolandbau gleichermaßen Bodenfruchtbarkeit, Grundwasser und die natürliche Artenvielfalt geschützt. Die Nahrungsmittel enthalten dadurch weniger Rückstände an Pflanzenschutzmitteln und auch der Anteil an Sekundärnährstoffen fällt in einigen Fällen höher als bei konventionellen Produkten aus. Franziska Distler ist Leiterin der Öko-Modellregion und sieht in der biologischen Erzeugung noch einen weiteren entscheidenden Vorteil für die Verbraucher: „Bioprodukte sind wesentlich strenger kontrolliert, zudem darf keine Gentechnik angewendet werden. Aus gesundheitlichen Gründen ist das ein wichtiger Punkt“, erklärt die Bio-Beraterin. Für Erzeuger sieht sie vor allem ökonomische Nutzen. „Landwirte schützen dadurch aktiv die Umwelt und bekommen letztendlich auch einen faireren Preis für ihre Produkte“, argumentiert Franziska Distler. An Problemen mangelt es Öko-Erzeugern jedoch nicht.

Reichlich Probleme für Bio-Landwirte

Peter Höfler leitet im Knoblauchsland einen Bio-Großbetrieb und hat bereits seit 1995 Erfahrung mit der Anbauform. „Es ist manchmal sehr schwierig, Schädlinge oder Krankheiten ohne Chemie zu bekämpfen. Wir haben teilweise Totalausfälle, die wir verschmerzen müssen“, erklärt der Bio-Erzeuger die Problematik. Konventionelle Landwirte könnten dagegen mit einer Vielzahl an Schutzmitteln ihre Ernte kontrollieren. Zwar dürfen im Bioanbau auch Pestizide organischen Ursprungs verwendet werden, chemisch-synthetische Mittel sind dagegen strengstens untersagt. Die Wirksamkeit der biogerechten Pestizide ist dabei nicht immer sichergestellt. „Ich kann nicht alles korrigieren. Dadurch habe ich auch höhere Aufwendungen, da ich praktisch durch kulturtechnische Maßnahmen, wie ein beheiztes Gewächshaus, meine Pflanzen gesundhalten muss. Dadurch entstehen höhere Kosten“, rechtfertigt Peter Höfler den zum Teil noch deutlich höheren Preis von Bio-Produkten. Es sind nicht die einzigen Aspekte, mit denen sich Öko-Landwirte konfrontiert sehen.

Für viele Erzeuger stellen die strengen Regulierungen, denen der Bioanbau unterliegt, noch immer große Hemmschwellen für die Umstellung ihres Betriebs dar. Zwei Jahre dauert nach aktueller EU-Verordnung die Umstellung, zusätzliche Richtlinien der Zertifizierungsstellen außen vorgelassen. Selbst wenn in dieser Zeit Lebensmittel schon unter biogerechten Umständen angebaut werden, dürfen diese nicht als Bio deklariert und verkauft werden. Für Landwirte bedeutet das während der Umstellungsphase vor allem einen unwirtschaftlichen Kapitalaufwand inklusive Risiken, ohne entsprechende Entlohnung. Denn biogerecht bedeutet nicht nur die Umstellung des Saatguts, sondern meint ebenso Produktionsmuster zu verändern und Feldern Ruhezeiten einzuräumen.

Künftig mehr Bioflächen? Derzeit dominiert im Knoblauchsland vor allem der konventionelle Anbau. Foto: Matthias Friedel

Eine Möglichkeit, dennoch Anreize zu schaffen, wären Ausgleichszahlungen, wie sie in anderen Regionen offeriert werden. Ein solches Angebot existiert in Nürnberg allerdings nicht. Die Öko-Modellregion sieht dagegen in ihrem Informationsauftrag den überzeugenderen Weg. „Die Stadt kann mit gesicherten Abnahmequellen und gerechter Vergütung unterstützen. Mit Vorgaben wie Bioanteilen in Kitas, Schulen oder Kantinen fördern wir auch die entsprechende Nachfrage“, verteidigt Franziska Distler die ihrer Meinung nach genügenden Anreize. Öko-Erzeuger aus der Region bekommen davon allerdings recht wenig zu spüren.

Marktdruck könnte sich intensivieren

„Es kommt nichts an und ich glaube auch nicht, dass die Stadt da aktiv in die Vermarktung eingreifen kann“, erzählt Peter Höfler. Vorgaben können seiner Meinung nach zwar auferlegt werden, Bioangebote in der Außer-Haus-Verpflegung jedoch nur mit einem geringen Preisaufschlag angeboten werden. Regionale Erzeugnisse können da kalkulationstechnisch nicht mithalten. Auch politische Vorhaben – sei es die bayerische 30-Prozent-Marke oder das bundesweit angestrebte Ziel bis 2050 – betrachtet der Erzeuger kritisch: „Da gäbe es Chaos in der Vermarktung. Die Ware könnte nicht mehr zu einem Preis, den wir eigentlich brauchen, verkauft werden. Wenn jetzt wirklich so ein großer Prozentsatz auf Bio umstellt, ist es unrealistisch, die Mengen zu einem angemessenen Preis zu verkaufen.“

Auch die Biometropole sieht die Gefahr des Marktdruckes. „Seitdem die großen Discounter in den Biobereich eingestiegen sind und mit Anbauverbänden zusammenarbeiten, begeben wir uns genau in diese Preissenkspirale, die wir eigentlich nicht wollen. Wenn der Markt wächst und sich Bio noch stärker verbreitet, besteht die Gefahr eines Preisdrucks, was dann letztendlich wieder bei den Landwirten hängen bleibt“, bestätigt Werner Ebert die Sorgen der Erzeuger. Auch über das Vorhaben der Landesregierung hält sich die Biometropole mit Euphorie bislang bedeckt. „Das ist schon herausfordernd. Ausgehend von jetzt wäre das eine Verdreifachung bei einem momentanen Anteil von elf bis zwölf Prozent“, erläutert Werner Ebert seine Sicht auf die Zielsetzung. Tatsächliche Einflussmöglichkeiten der Stadt sieht er skeptisch. Die Entscheidung über eine Umstellung läge immer noch bei den Betrieben selbst. Der Großteil der Erzeuger im Hauptanbaugebiet Knoblauchsland setzt ohnehin auf die konventionelle Landwirtschaft.

Bio nur bedingt nachhaltiger

Bewusst gegen den Öko-Anbau hat sich der dort ansässige Landwirt Jochen Haubner entschieden. „Ich bin nicht überzeugt von Bio und auch nicht davon, dass man mit dem Anbau die Menschheit ernähren kann“, vertritt der Erzeuger seine Meinung, der die ständige Diskussion um mehr Bio nicht mehr hören kann. „Ich bin für einen kontrollierten, integrierten Anbau, in dem man aus allen Bereichen – egal ob Bio oder konventionell – die besten Aspekte zusammenfügt.“ Wesentlich nachhaltiger sei für ihn die Diversität, anstatt auf ein einziges, womöglich unrentables Vorhaben, zu setzen. Denn Bio bedeutet nicht immer gleich nachhaltig. Je nach Anbauform kann auch die ökologische

Mehr Mykotoxine und Keime in ökologischen
Produkten? Nicht immer ist Bio gleich gesünder. Foto: Matthias Friedel

Erzeugung mehr Energie verbrauchen. Auch lange Transportwege von Bio-Lebensmitteln belasten die Umwelt stärker als die konventionelle Erzeugung vor der eigenen Haustür. Die Stiftung Warentest fand zudem in einer Langzeituntersuchung heraus, dass Bio-Produkte durchaus häufiger von Keimen befallen sein können. Vor allem das Discounter-Angebot begnüge sich häufig mit den Mindestanforderungen. Dem Landwirt Jochen Haubner sind politisch vorbestimmte Produktionsmethoden demnach ein Dorn im Auge. Dabei geht es ihm vor allem um existenzielle Ängste. „Wenn morgen alles Bio erzeugt werden soll, kann ich abschließen“, äußert der Erzeuger seinen Unmut. „Meine Hydroponik-Salatzucht (Anmerkung: Anbauform, bei der das Gemüse in Wasserrinnen wächst) ist in Bio-Verordnungen nicht vorgesehen, obwohl es ein ressourcenschonendes und wassersparendes Anbauverfahren ist.“ Dass der ökologische Anbau die nachhaltigere Form ist, gilt also nur bedingt.

Letztendlich bleibt die Wahl des Produkts dem Verbraucher selbst überlassen. Am sichersten, so sind sich Stadt und Erzeuger aber einig, sei es im Zweifel lieber regional und saisonal zu kaufen. Wer mehr Bio etablieren will, müsse Strukturen zur Vermarktung und Verbreitung schaffen, so das Fazit der Landtags-Grünen als Reaktion auf die BioRegio 2030. Die Stadt Nürnberg ist in dieser Hinsicht schon lange aktiv, der Weg für mehr Ökoanteil wäre also geebnet.

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